UNERSÄTTLICHE TRIEBE

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OT: KINJIRARETA TEKUNIKKU
Japan 1966, 73 Min., dF, s/w, 35mm, R.: Kan Mukai, D.: Shûsaku Mutô, Kazuko Kano, Yuichi Minato

Einführung von Olaf Möller (Ferroni Brigade)

„Weil sich einem zunächst erfolgreichen japanischen Boxer plötzlich ein arges Unglück an die Fersen heftet und er einen Kampf nach dem anderen verliert, und weil er außerdem als Mann versagt und somit auf das “Glück mit Dirnen” verzichten muß, sitzt er in K.-o.-Stimmung auf einer Bank in einem Untergrundbahnhof. Über eine Zigarettenlänge lernt er ein leichtes Mädchen kennen, mit der er die Nacht verplaudern möchte. Die allzu Bereitwillige hält dagegen nicht viel von bloßen Plauderstündchen. Und da sie ihn zu einer neuen “Niederlage” führt, erzählt er ihr sein Vorleben mit einer anderen Dirne, bis sie sich bereit erklärt, ihn zu “heilen”. Sie macht ihn wieder zum Mann, und alles Glück könnte in die Bambushütte einziehen – wenn da nicht noch ein böser Nebenbuhler wäre…“ (Katholischer Filmdienst)

„Eine Nacht. Ein Mann und eine Frau. Er ein Boxer, sie eine Prostituierte. Figuren der Unterwelt. Träume und Albträume, Hoffnungen und Abgründe tun sich auf, Auswege und Sackgassen. Ein existenzialistisches Seelendrama, ein düsterer Noir ist das, in dessen von elektrischem Licht erhellter Dunkelheit sich Wahn und Wahrheit, Einbildung und Wirklichkeit vermischen und nur schwer zu unterscheiden sind. Dabei entfaltet sich ein beeindruckend kompromissloser und komprimierter Streifzug durch die dunkle Seite der menschlichen Existenz, in welchem die expliziten Darstellungsmöglichkeiten des erotischen Kinos die neurotischen Obsessionen des Film Noir sowie die determinierenden psychologischen Strukturen der Protagonisten umso deutlicher hervortreten lassen.“ (Hans Böckler)

Kan Mukai gehörte zu den Pionieren des Mitte der 1960er Jahre aufkommenden pinku eiga, des japanischen Erotikfilms, der rasch große Popularität erlangte und sich im Folgejahrzehnt breit ausdifferenzierte. Mukai konnte sich bereits mit seinen ersten Filmen etablieren – seine technischen Fähigkeiten, sein Gespür für Atmosphäre und sein Blick für visuelle Komposition ließen ihn zu einem gefragten Regisseur der ersten Welle früher Pinkfilme werden, die sich zumeist in Schwarz-Weiß an erotische Themen und Darstellungen heran tasteten. Zwischen 1965 und 1969 erreichte Mukai ein unglaubliches Drehpensum und inszenierte bis zu einem Dutzend Filme pro Jahr, bevor es in den 1970ern etwas ruhiger um ihn wurde – der bekannteste seiner späten Filme dürfte der durchgeknallte DEEP THROAT IN TOKYO (1975) sein. Die meisten seiner Filme sind heute schwer greifbar, manche gelten gar als verschollen. So auch die Originalfassung von KINJIRARETA TEKUNIKKU, von dem nach derzeitigem Kenntnisstand nur die deutsche Kinofassung überliefert ist. Die von Christoph Draxtra mühsam reparierte und rekonstruierte Kopie ist überdies bereits vom Essigsyndrom befallen, so dass ihre Gebrauchsjahre gezählt sind. So ist auch diese Aufführung die vielleicht einmalige Gelegenheit eines raren Films ansichtig zu werden, der entgegen seines reißerischen Verleihtitels UNERSÄTTLICHE TRIEBE (international seinerzeit auch als FANCY FOOTWORK, FORBIDDEN TECHNIQUE oder NAOMI vertrieben) eine einnehmende Kreuzung aus frühem Erotikfilm, düsterem Film Noir und existenziellem Drama ist.

Aufrisstext: Hofbauer-Kommando