HERBSTROMANZE

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BRD 1980, 86 Minuten, Farbe, 35mm, Regie, Buch und Schnitt: Jürgen Enz, Darsteller: Rudolf Lenz, Anke Syring, Marion Brandmaier, Dietz-Werner Steck, Uschi Zech, Claus-Dieter Reents

Einführung von Robert Wagner

Ein Kurzurlaub soll die 17jährige, taubstumme Veronika den Tod des geliebten Vaters vergessen lassen, so der Plan ihrer Mutter Christina. Der Ort der Erholung ist hingegen, aus Geldmangel, nicht glücklich gewählt: Gut Vorwald im Sauerland gehört dem reifen Edelmann Benno von Caldern, dem sich Christina einst in Jugendtagen versprach, bevor sie ihren späteren Mann begegnete und auf Benno verzichtete. Unter dem güldenen Dach herbstlicher Eichenkronen kehren die Gefühle der Vergangenheit zurück, nicht ohne dramatische Konsequenzen.

Über keine der Wiederentdeckungen des Hofbauer-Kommandos wurde seit deren Wiederaufführung im Rahmen des 4. Hofbauer-Kongresses 2011 im Netz mehr geschrieben und gesprochen als HERBSTROMANZE, dem “Heimatfilm to end all Heimatfilme”. (Lukas Foerster) Auf verschlungenen Pfaden fand und findet Jürgen Enz’ somnambules, naturtrübes Kaleidoskop verblichener Lebensträume, verwelkter Liebe und verdrängter Begierden seinen Weg in die Seelen all derer, die ihn sahen und sehen. Grenzenlose Erheiterung, perplexes Staunen und fassungsloses Entsetzen folgten dem Film, wo auch immer er einschlug.

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Seine dunkle, abgründige Anziehungskraft kommt aus der Tiefe, liegt gut getarnt hinter einer nahezu obszönen Fassade der Ruhe. Es ist ein mal dämonisch, mal lieblich trister Film der “bescheidenen, aber wirkungsvollen Attraktionen”, wie Gutsherr Benno von Caldern (gespielt von Rudolf Lenz, dem FÖRSTER VOM SILBERWALD) einmal versucht, seinen Gästen das Erntedankfest im Nachbarort schmackhaft zu machen. So unendlich banal und gleichzeitig herzzerreißend existenzialistisch ist die Sehnsucht der Figuren “dass der ganze Film implodieren würde, ließen sie ihre Gefühle zu, ihre Enttäuschung, Trauer, Wut darüber, dass man ihnen ein Leben versprochen und dann doch nur eine Abofalle geliefert hat.” (Andreas Poletz).

Die innere Schönheit von HERBSTROMANZE liegt in seiner bedingungslosen Hingabe an die verbleibenden, kargen Restbestände von Gefühl, ganz gleich wie fragil, erstickt oder lächerlich sie auch sein mögen. Und sie tritt darin zutage, wie Enz seine allesamt sediert wirkenden Darsteller absurd naive, bisweilen dann aber doch andeutungsreiche Dialoge aus einer Parallelwelt primitiver Lyrik aufsagen lässt, in die, so spürt man, viel Liebe geflossen ist. “Die Schauspieler spielen zombiehaft, gehorsam und als gäbe es sie nur in diesem Film. (…) Nicht wissend, was die anderen treibt und was sie meinen, schiebt er [Enz] seine Figuren hin und her. Wie große Puppen in einem mechanisch gesteuerten Märchenwald-Guckkasten oder Männchen in einem einfachen, ernsten Comic mit übergroßen Sprechblasen. Enz macht ihnen Kammern zurecht und fegt für sie die Plätze leer. Er zieht sie manchmal aus und legt sie übereinander und weiß dann kaum mehr weiter.” (Silvia Szymanski)

Das Hofbauer-Kommando freut sich, im Rahmen des 1. auswärtigen Sondergipfels erstmals eine zeitgenössische 35mm-Filmkopie des bisher nur in VHS-Qualität vorliegenden und gezeigten Films präsentieren zu können.

Aufrisstext: Hofbauer-Kommando