Samstag, 30. September & Sonntag, 1. Oktober, Kino des DFF

Die Frühphase des Hollywood-Tonfilms unterlag noch nicht den Zensurbestimmungen des erst ab 1934 verbindlichen Hays Code. Die bis heute bewunderten, gar beneideten Freiheiten dieser Pre-Code-Ära brachte kaum ein Genre besser zur Geltung als das Musical. Jenseits formvollendeter Vertreter wie 42ND STREET entstanden in der Pre-Code-Ära auch einige heute weniger bekannte Produktionen, die mit den Grenzen der Gattung selbst spielten: Durch ungewöhnliche Kombinationen mit anderen Genres erschlossen sie neue filmische Ausdrucksmöglichkeiten. Auch wenn sie zumeist keine elaborierten Choreographien wie die von Busby Berkeley zu bieten hatten und keine großen Kassenerfolge waren, bestechen sie doch retrospektiv durch ihre bemerkenswerte Singularität.

Ergänzt werden soll das Hauptprogramm um jeweils vier Vorfilme, wie sie auch zur Entstehungszeit bei Kinovorführungen üblich waren und in deren Rahmen ebenso mit den Möglichkeiten des Musicals experimentiert wurde.
Felix Mende (Kurator dieses Programms)

Filmprogramm:
Samstag, 30.9.
15:00 Uhr
Madam Satan, R.: Cecil B. DeMille, USA 1930, 35mm, 116‘
MADAM SATAN ist der abenteuerlichste unter Cecil B. DeMilles Versuchen, sich mit Beginn der Tonfilmära neu zu erfinden: Sein einziges Musical, zunächst eine frivole Farce über eine feine Dame, die von der Untreue ihres Ehemanns Wind bekommt. Mit ihrem Versuch, ihn im Gewand eines mysteriösen Vamps zurückzugewinnen, entfesselt DeMille ein maximalistisches Art-Deco-Delirium, dessen Herzstück eine extravagante Party an Bord eines Zeppelins ist – und das letztlich gar in einen Katastrophenfilm mündet.
21:00 Uhr
Bimbo’s Initiation, R.: Dave Fleischer, USA 1931, 16mm, 6‘
I Am Suzanne!, R.: Rowland V. Lee, USA 1933, 35mm, 98‘
Im Hauptfilm spielt Lilian Harvey eine populäre Varieté-Tänzerin, deren Ruhm jäh von einem Unfall beendet wird. Ihr Liebhaber, ein brotloser Puppenspieler, baut ihr eine Marionetten-Doppelgängerin, zu der sie sich bald in einem eigenartigen Konkurrenzverhältnis befindet. Als Starvehikel für die kurze, wenig erfolgreiche Hollywood-Karriere Harveys gedacht, weist der Film zunehmend albtraumhafte, surrealistische Züge auf, die ihm eine ungewöhnliche psychologische Komplexität verleihen.
Zu einem nicht minder halluzinatorischen Trip laden mit BIMBO’S INITIATION die Gebrüder Fleischer, deren Animationsfilme hauptsächlich für ihren expressiven Stil und ihre verwegene Fantasie bekannt sind, die jedoch auch in der Verwendung von Jazzmusik bemerkenswert fortschrittlich waren.
Sonntag, 1. Oktober
13 Uhr
Umpa, R.: Archie Gottler, USA 1933, DCP, 16‘
It’s Great to Be Alive, R.: Alfred L. Werker, USA 1933, 35mm, 69‘
In IT’S GREAT TO BE ALIVE, einem Remake des Stummfilms THE LAST MAN ON EARTH (1924), lässt die Krankheit „masculitis“ alle Männer vom Erdboden verschwinden. Mit einer Ausnahme: Der Pilot Carlos, der die Pandemie auf einer einsamen Insel überlebt hat, ist plötzlich heißbegehrtes Unikat in einer vollständig von Frauen dominierten Welt. Er wird von Gangsterinnen entführt, zur Auktion freigegeben und bei einem Tanzwettbewerb zwischen den Nationen aufgeteilt.
Auch UMPA stellt einen überforderten Mann in sein Zentrum: Nach der Begegnung mit einer schönen Frau muss er beständig das Wort “Umpa” wiederholen, wovon der Film in durchgängigem Sprechgesang erzählt – ein besonders prägnantes Beispiel für die Formexperimente des Kurzfilm-Musicals.
18 Uhr
Black and Tan, R.: Dudley Murphy, USA 1929, 16mm, 19‘
Murder at the Vanities, R.: Mitchell Leisen, USA 1934, 35mm, 89‘
MURDER AT THE VANITIES erschien nur wenige Wochen, bevor die rigorose Durchsetzung des Hays Code begann, und schöpft noch einmal aus dem Vollen: Mit hauchdünnen Kostümen, gewagten musikalischen Darbietungen (wie einer Ode ans „Sweet Marihuana“), und einer unbekümmerten Haltung zu Kriminalität. Denn Mitchell Leisens Backstage-Musical ist gleichzeitig eine murder mystery , und mit leichter Hand verzahnt er die beiden Genres zu einer bizarren Feier des Exzesse.
Im Hauptfilm absolviert er einen denkwürdigen Gastauftritt, in BLACK AND TAN ist seine Performance gar eine Frage von Leben und Tod: Duke Ellington, dessen Genius hier adäquate filmische Entsprechung in Form eines avantgardistischen Fiebertraums findet.
Ticketpreise: Es gelten die regulären Preise des DFF
Online-Kartenkauf: https://www.dff.film/kino/kinoprogramm/filmreihen-specials-september-2023/pre-code-musicals-maudits/
Eine Veranstaltung des Filmkollektiv Frankfurt – Projektionsraum für unterrepräsentierte Filmkultur e.V. in Kooperation mit dem DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum. Unterstützt von der Hessen Film und Medien GmbH.
Herzlichen Dank an: Andreas Beilharz & Natascha Gikas (DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum)
Unterstützt von:

